Roland Nagel Fotografie

Was darf’s denn heute sein?

Stillleben von Nahrungsmitteln in der Malerei im 16. und 17. Jahrhundert sind voll von religiösen Ermahnungen und erotischen Anspielungen. Um die Rätsel zu verstehen, sollte man etwas über die Zeit wissen, in denen sie entstanden sind, denn es sind Sinnbilder. Beispielsweise verstand man die Zitrone als ein Symbol für Mäßigung. Ganz im Gegensatz zur Auster, die nicht nur den Appetit, sondern auch das sündige Verlangen anregen soll. Häufig findet man in Stillleben aus dieser Zeit auch Hinweise auf „Vanitas“; die Erinnerung an die Vergänglichkeit und den Tod. Dieser historische Hintergrund ist im Laufe der Zeit verloren gegangen und in der zeitgenössischen Malerei ist eine Zitrone eine Zitrone und eine Auster eine Auster.

Stillleben von Nahrungsmitteln in der Fotografie reichen weit in die Anfänge der Fotografie zurück und zeigen deutliche Bezüge zu den klassischen Stillleben der Malerei. Aber auch Lebensmittel, die wie Skulpturen arrangiert oder die eine sinnliche Erotik suggerieren, wurden mit einem künstlerischen Anspruch fotografiert.

Daneben gibt es den weiten Bereich der angewandten „Food-Fotografie“ für Werbe-zwecke oder beispielsweis in Kochbüchern. Letztere sind häufig auch „Sittenbilder“ der Zeit, in denen sie entstanden sind.

Und heute: „Stopp – noch nicht essen!. Ich muss erst noch ein Foto machen.“ hört man immer öfter. Mit der Folge, dass beispielsweise unter #food oder #foodporn in den sozialen Netzwerken Hunderte Millionen Beispiele zur Food-Fotografie zu finden sind.

So gesehen erscheint es als der reinste Anachronismus, wenn im Jahr 2021 eine Malerin und ein Fotograf gemeinsam ein Projekt zum Thema „Essen und Genießen“ realisieren und Stillleben von Nahrungsmitteln mit unterschiedlichen Mitteln gestalten. Ausgangspunkt sind immer einzelne Komponenten, die Zutaten von Gerichten sind. Die jeweiligen Rezepte im Katalog sind dabei integraler Bestandteil und sollen zum Nachkochen animieren.